#Brieferl No.24 – Das soziale Stockholmsyndrom





Lieber Cousin Herbert,

seit Tagen warte ich darauf, die #BBHF (Basti & Bumstis Hall of Fame) auf den neuesten Stand bringen zu können, aber es tut sich einfach nix.

Ich war ja schon voller Hoffnung, als ich das Gezwitscher vom Basti gelesen habe. „Gestern Abend konnten wir der österr #Rektorenkonferenz unsere Pläne zur neuen #Unifinanzierung präsentieren.“
https://twitter.com/sebastiankurz/status/958274233687257088

„Unsere Pläne ..“. Wie sich herausgestellt hat, waren diese (im übrigen wirklich guten) Pläne bereits im Juni 2017 beschlossen worden, auf Antrag der Grünen! Alle Parteien, auch die deine, hatten sich für die Erhöhung des Budgets ausgesprochen, nur die ÖVP war wieder einmal dagegen.

Also leider nix, was ich guten Gewissens auf die #BBHF setzen kann.

Jedenfalls bin erleichtert, dass sich „der demokratiepolitisch äußerst bedenkliche Abhörskandal“ nun doch nicht zum Bumstigate entwickelt hat. Das relativiert natürlich auch die in einem früheren Brieferl angesprochene Klopapiercausa gewaltig.
https://kurier.at/chronik/wien/neue-details-zur-wanzen-affaere-staatsposse-um-alten-lautsprecher/309.367.430

Weißt du, was ich mich an dieser Stelle frage? 
Es scheint für das beinahe-Bumstigate zwei mögliche Erklärungen zu geben.
Variante 1: Die Mitarbeiter, welche die vermeintliche Abhöranlage gefunden haben, sind, nun ja, zu ungebildet, um zu den Fund richtig zu deuten.
Variante 2: Das Ganze war nur ein erstunkenes und erlogenes Ablenkungsmanöver.
Egal, welche der beiden Varianten es war, auf solche Volksvertreter kann man ohne Zweifel stolz sein.

Ihr habt‘s euch gestern sicher voll gegiftet, wegen des Lichtermeers für die Ute Bock, oder? Irgendwie habe ich den Eindruck, dass sich für jede bräunliche Stimme in Österreich mindestens zwei Menschen erheben, die sich das alles so nicht gefallen lassen.
Heute könnt ihr euch gleich wieder giften, wegen der Demo in Linz. Die steht unter dem Motto „Sozialabbau im ganzen Land – Unsere Antwort: Widerstand!“

Zum Thema Sozialabbau gibt es zwei Fragen, die sich aufdrängen.

Frage 1: Warum genau wird so vehement ein Keil zwischen die Menschen getrieben? Warum werden Arme als „Sozialschmarotzer“ oder „Durchschummler“ bezeichnet, wenn es doch Faktum ist, dass es zu wenig Arbeitsplätze gibt, um Vollbeschäftigung zu erreichen?

Frage 2: Warum lassen die Bürger das mit sich machen?

Ich habe dazu einen sehr interessanten Beitrag gefunden, der alles erklärt:
http://www.kleinezeitung.at/oesterreich/5364014/Arm-vs-reich_Expertin_Gesellschaftliche-Spaltung-von-Politik

Antwort auf Frage 1: „Für die Reichen ist Armut eigentlich die wertvollste nachwachsende Ressource“.
Eh klar! Man kann nur ja nur dann reich werden, wenn man entweder für die erbrachte Leistung zu viel Geld bekommen hat oder aber jenen, die an der Erbringung der Leistung beteiligt waren, zu wenig gezahlt hat. Im Idealfall macht man natürlich beides.

Antwort auf Frage 2: „Grund für den Erfolg der Rhetorik gegen die Armen ist laut Hartmann die ‚verrückte Idee‘ der Mittelschicht, der reichen Oberschicht näher zu sein als der armen Unterschicht. Die Mittelschicht nähere sich der Unterschicht jedoch immer weiter an. Hartmann bezeichnete dies als ‚soziales Stockholmsyndrom‘.“

„Soziales Stockholmsyndrom“ – das gefällt mir! Solltest du mit dem Stockholmsyndrom nicht so vertraut sein, bitteschön:
https://de.wikipedia.org/wiki/Stockholm-Syndrom

BTW: der Link zum Verfassungsbericht im Wikipedia-Artikel zum Akademikerball funktioniert noch immer nicht!

Was meinst du, wie lange werden die Menschen noch gefangen sein, in ihrer vermeintlichen Sicherheit, in dem sozialen Stockholmsyndrom? Wie lange werden sie sich noch einer „Elite“ anbiedern, die von ihnen eh nichts wissen will?

Wann werden sie merken, dass sie es nur dann „schaffen“ können, wenn sie sich mit anderen solidarisieren – weil ihnen nur auch dann selbst Solidarität zuteil wird, die sie dringend brauchen werden?

Und wann wird es sie geben, die verantwortungsbewußten Politiker, die Vertreter des Volkes, die im Sinne aller handeln und nicht der Reichen, von denen sie sich womöglich Zuwendungen erhoffen oder vielleicht gar bekommen?

Liebe Grüße,
Cousine Daniela