Was Spinat und Winston Churchill gemeinsam haben





Im Alter von etwa 20 war ich gut und gerne für markige Aussagen wie „Lieber tot, als rot“ zu haben. Kein Wunder, war ich in den 1980er Jahren doch geprägt vom kalten Krieg und den ungustiösen Kommunisten, die nicht zuletzt breitenwirksam als das ultimative Böse filmreif gegen meinen allerliebsten Hollywoodlieblingsliebling Sylvester Stallone angetreten sind.

Außerdem war ich ja nicht nur absolut unverwundbar, sondern sowieso etwas Besseres als die Anderen. Woraus genau ich das geschlossen hatte, außer meiner Jugend und einer halbwegs guten Ausbildung, entzieht sich heute meiner Kenntnis.

Unzählige Menschen haben mich auf meinem bisherigen Lebensweg begleitet. Häßliche und Hübsche, Große und Kleine, Junge und Alte, Nette und Unsympathische, Gescheite und Dumme. Die ganze Palette quasi. Die Gewissheit, etwas Besseres zu sein, hat sich glücklicherweise verflüchtigt. Nicht zuletzt deshalb, weil diejenigen, die glauben etwas Besseres zu sein, mir zutiefst unsympathisch sind.

Sie begründen ihr vermeintliches Bessersein nämlich in Umständen, für die sie nichts können. Der Mann, der sich gut vorkommt, weil er eine Eigentumswohnung sein eigen nennt, die seine Eltern erarbeitet haben, ist nichts Besseres. Die Frau, die mit Schönheit und Intelligenz gesegnet ist, die dank des Vermögens der Eltern in aller Ruhe studieren und in Folge einen Topjob ergattern kann, ist nichts Besseres.

Die hässliche Frau, deren Kindheit unschön verlaufen ist und die jeden Tag an der Supermarktkassa freundlich zu mir ist, ist nichts Schlechteres. Der kleine wie unauffällige Mann, der mir jeden Tag die Post bringt und mit seinem Gehalt gerade einmal sich und seine Familie über die Runden bringt, ist nichts Schlechteres.

Ob man als Frau oder Mann, als Hässlichkeit oder Schönheit, als Hochbegabter oder geistiges Nackerbatzerl, in Österreich oder Afghanistan zur Welt kommt, darauf hat niemand einen Einfluss. Man will uns immer gerne einreden, dass jeder alles erreichen kann, wenn er es nur will und sich bemüht. Das ist ausgemachter Bullshit.

So wie nicht jeder den Haupttreffer im Lotto gewinnen kann, kann nicht jeder ein Selfmademillionär werden. Das geht sich einfach rechnerisch nicht aus. Von der Frage, warum zB ein Felix Baumgartner dermaßen viel (geld)wert ist und die Krankenschwester, der Straßenkehrer oder gar der Obdachlose nicht, will ich erst gar nicht anfangen …

So habe ich mich also von der hochmütigen „Lieber tot, als rot“-Tussi zur waschechten Sozialistin entwickelt. In dem Bewusstsein, dass wir Menschen sehr unterschiedlich sind und auch nicht gleich sein sollen. Dass einige es vermeintlich „schaffen“ und die meisten eben nicht. Aber dass es eine Sache gibt, die für alle gleich sein muss: der Anspruch auf ein Leben in WÜRDE.

In meiner Kindheit habe ich gerne und oft Spinat gegessen. Dank Popeye und natürlich dem Faktum, dass Spinat besonders viel Eisen enthält und deshalb, in regelmäßigen Dosen verabreicht, sehr gesund ist. Ich esse immmer noch gerne Spinat, weil er mir schmeckt. An Popeye denke ich gerne zurück und das mit dem Eisen ist mir egal. Denn – Spinat hat gar nicht besonders viel Eisen. Man hat irgendwann bemerkt, dass die Kommastelle an die falsche Stelle gerückt war (oder wurde – wer kennt schon die unlauteren Motive der berüchtigten Spinatindustrie).

Wenn ich heute sage, dass ich links bin, oder gar noch schlimmer das Wort „Sozialismus“ in den Mund nehme, dann werde ich unweigerlich mit einem Zitat von Winston Churchill konfrontiert, dass da lautet „Wer mit 20 Jahren kein Kommunist ist, hat kein Herz. Wer mit 40 noch Kommunist ist, hat keinen Verstand.“. Praktischerweise findet man dieses Zitat in verschiedenen Variationen, so dass „Kommunist“ durch „Sozialist“ oder schlicht „links“ ersetzt wird.

Und wenn das der Winston Churchill so gesagt hat, ist die Verurteilung eines jeden, der sich gegen die Meinung dieses großen Herrn stellt, auch gleich legitimiert. Das ist sehr praktisch, denn da braucht man nicht mehr argumentieren oder gar nachdenken – zitieren reicht da schon völlig aus.

Ich bedanke mich an dieser Stelle bei Ricky, die sich von meinem Ehrgeiz, dem Zitat auf den Zahn zu fühlen, anstecken ließ und dessen wahren Ursprung gefunden hat: https://quoteinvestigator.com/2014/02/24/heart-head/
Eine herbe Enttäuschung also für alle, die sich beim Sozialismus-Bashing bisher so sicher und wohl gefühlt haben.

Dem bedauernswerten Churchill erging es also nicht besser als dem Spinat. Na ja, Hauptsache ist doch, wir konnten es aufklären. Und weil die Welt nicht um ein Zitat ärmer sein soll, gibt es hier gleich ein Neues. Diesmal zweifelsfrei original und nicht untergejubelt.




8 Antworten auf „Was Spinat und Winston Churchill gemeinsam haben“

  1. Sehr geehrte Frau Kickl!

    Ich bin voll und ganz auf Ihrer Seite, was den Sozialismus angeht. Doch ein Problem, auf welches ich immer wieder stoße (quasi zu den „alljährlichen“ Wahlen) ist es, welche Partei zu wählen ist. Wenn man jetzt die SOZIALISTISCHE Partei Österreichs auf dem Wahlzettel ankreuzt, wählt man ja -logischerweise- gleichzeitig ein Gesamtpaket aus politischen Forderungen oder auch Nicht-Forderungen mit.

    (Kleine Anmerkung hier: Mir ist gerade ein Gedankenblitz eingeschlagen. Wäre es nicht irgendwie cool, wenn man nur verschiedene Standpunkte zu vielen unterschiedlichen Themen ankreuzeln könnte und keine Partei wählen müsste, mit welchen man ja nicht zu 100% immer übereinstimmt?)

    Das Problem bei allen sozialistischen Parteien auf dieser Welt (die Linken miteingeschlossen) ist, dass jede auf dieses „Alle sind gleich und jeder verdient die gleichen Chancen“- Schema setzt. Doch das geht leider nur auf eine einzige Weise: Die weniger Intelligenten können -beispielsweise in der Schule- nicht mit den Hochbegabten mithalten. Was kann man also tun, um alle auf einen Stand zu bringen? RIchtig, das riesige Potential gescheiter Menschen ungenutzt verkümmern lassen. Denn auch der Sozialismus kann nicht die Schranken der Natur durchbrechen.

    Deswengen ist für mich ECHTER Sozialismus einzig und allein die Nächstenliebe. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich bin kein religiöser Mensch und halte auch nicht viel vom Christentum und dem Katholizismus, aber nur so können wir die großen Gesellschaftsprobleme lösen, und nicht anders.

    1. Das Problem aller, nunja, sagen wir einmal „In ihrer Selbstwahrnehmung leistungsorientierten“ Parteien ist wiederum, dass sie das Potential der Kinder gerne am Potential der Eltern festmachen, ohne das explizit zu benennen.

      Ich kann das ja an mir selber nachvollziehen: Warum haben meine Eltern eine gute Schule für mich gewählt bzw. überhaupt wählen können? Weil sie informiert waren und weil sie es sich leisten konnten (nicht in Form von Schulgebühren, das waren alles öffentliche Schulen, aber in Form von reichlich Unterrichtsmaterialien bzw. im Fall meiner Geschwister auch in Form von Nachhilfe). Warum habe ich Matura? Weil sie es sich leisten konnten (und ich nicht als Lehrling zum Haushaltseinkommen beitragen musste). Warum habe ich ein abgeschlossenes Studium? Dito.

      Chancengleichheit heisst keineswegs, dass am Ende alle gleich gescheit herauskommen. Aber wenn „Potentiale nützen“ darauf hinausläuft, dass die Elite unter sich bleibt und denen, die dabei durch den Rost fallen, hinterher unterstellt wird, nicht genügend Potential gehabt zu haben, dann sage ich: Danke, aber nein danke.

      Wirkliche Chancengleichheit herzustellen ohne entweder die besonders gescheiten oder die besonders reichen auszubremsen, ist in der Tat sehr schwierig. Ich bin froh, dafür nicht die Verantwortung zu haben, aber trotzdem… wir sollten es versuchen. So, wie es aktuell läuft, läuft es jedenfalls grundfalsch.

  2. problem das ich bei dem thema sehe, daß es immmer nur in schwarz weiß diskutiert wird. wie wärs mit grau?

    den sozialismus, den ich die letzten 30 jahre verfolgt hab‘ (auch weltweit) hat ja gar nichts positives zustande gebracht.
    somit hat der spruch v. churchill (echt oder nicht egal) schon was.

    1. Der Ansatz ist interessant, aber dann muss man jedewege Art von Geschenke auch unterbinden. Sonst schenken die Eltern eben Schmuck im Wert von 50.000 Euro zum Geburtstag und zum Namenstag und..

      Ein aktuelles Problem des Sozialismus ist die Globalisierung. Alle haben Angst irgendwas zu unternehmen das Teile der Wirtschaft abwandern lässt, weil andere Länder attraktiver werden würden könnten..
      Dass glückliche Menschen ohne Existenzsorgen auch „leistungsfähiger“ sind bedenkt niemand.
      Auch haben Feldversuche gezeigt, dass in manchen Berufen mehr weitergeht, wenn weniger gearbeitet wird pro Woche.

      Auch eine kleine Maschinensteuer ist IMHO längst überfällig, da zwar noch eine Weile Jobs in neuen Bereichen geschaffen werden, aber wenn man sich ansieht wohin die Reise geht wird sich das wohl nicht halten lassen:
      Die Jobs gehen immer weiter Richtung nötige Hochqualifizierung, die viele nicht mehr erreichen können, selbst wenn sie wollen.
      Und mit der Weiterentwicklung von KIs werden auch diese Jobs zunehmend ersetzt. Wenn es jetzt bereits erste erfolgreiche Versionen gibt, die besser arbeiten als menschliche Anwälte (in Teilbereichen) oder Büroangestellte deren Arbeit früher als unersetzlich galten. Es ist noch nicht da, aber wenn KIs nicht flächendeckend als Gefahr für die Menschheit verboten werden, dann werden sie in den nächsten Jahren kommen.

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