#Brieferl No.9 – Eine simple Milchmädchenrechnung





Lieber Cousin Herbert,

am 2. Jänner habe ich die neue Sozialministerin in der ZIB2 bewundert. Sie machte mir einen sympathischen und vor allem kompetenten Eindruck. Und was mir besonders gefallen hat, war das Rückgrat, mit dem sie gesagt hat: “Also gleich ganz deutlich: Hartz IV wird es bei mir nicht geben.” So, wie sie das gesagt hatte, war ich ernsthaft geneigt, ihr zu glauben.

Aber der kurzfristige Anflug von Hoffnung, dass vielleicht wirklich nicht alles so ist, wie man es verstehen könnte, ist freilich schon wieder verpufft. Sie wurde mittlerweile vom Bubenkanzler auf Linie gebracht.
Klar, die neue Regierung sagt nicht “wir führen jetzt Hartz IV ein”. Ihr nennt es “Arbeitslosengeld Neu”. Klingt ja viel schöner, weil “neu” ist irgendwie immer besser.

Und was ist denn schon dabei, ein Hartz IV Modell einzuführen, wenn doch dafür im Gegenzug die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung weniger werden.

Ob der geneigte Wähler verstehen wird, dass er für ein paar Euro weniger Abzüge ein existenzbedrohendes Risiko aufgehalst bekommt?

Ich finde es gut, dass man endlich auf die Eigenverantwortung hofft. Jedoch scheint ihr ja anzunehmen, dass jeder, der keine Arbeit hat, auch keine will. Also quasi entweder zu faul oder zu blöd ist, sich eine Arbeit zu finden. Oder gar beides?

Ich habe mal nachgeschaut, weil mich diese Theorie doch interessiert hat. Im Dezember 2017 gab es in Österreich insgesamt 68.902 offene Stellen. Dem gegenüber stehen 378.741 Menschen, die arbeitslos waren. Wenn man die Schulungsteilnehmer mit ein berechnet, waren es insgesamt 443.481 Menschen.
http://www.ams.at/_docs/001_uebersicht_aktuell.pdf

Klar, ich bin keine Expertin. Aber müssten die Zahlen nicht umgekehrt sein, wenn man an die Eigenverantwortung der Menschen appelliert? Weil wenn ich jetzt – nach Milchmädchenrechnungsmanier – alle offenen Stellen rein rechnerisch besetze, dann würden doch noch immer noch 309.839 Menschen keine Arbeit haben. Weil es keine gibt. Die in den Schulungen habe ich für meine Rechnung dort belassen. Damit es nicht noch mehr werden.

Ach ja, ich vergaß natürlich die 2.100 Stellen, die für die Polizei geschaffen werden sollen. Dann sind‘s ja eh nur mehr 307.739, die keine Arbeit mehr haben. Uff, und dabei hatte ich mir doch wirklich schon ernsthaft Sorgen gemacht.

Liebe Grüße,
Cousine Daniela