Lieber Cousin Herbert,
am 1. Mai habe ich mir die traditionelle Veranstaltung der SPÖ am Rathausplatz angeschaut, im Staatsfunk halt, aber immerhin.
Ich will jetzt nicht allzu viel schreiben, denn meine Begeisterung sowohl inhaltlich als auch unterhaltungstechnisch hielt sich in engen Grenzen.
Am Schluss haben sie dann noch die Internationale intoniert, DAS Kampflied, aus dem wir auch lernen, dass wir ohnehin auf uns alleine gestellt sind.
Das französische Original singt in der zweiten Strophe
Il n’est pas de sauveurs suprêmes
Ni Dieu, ni César, ni tribun
Producteurs, sauvons-nous nous-mêmes
Décrétons le salut commun
was wir in der Übersetzung als
Es rettet uns kein höhres Wesen,
kein Gott, kein Kaiser, noch Tribun.
Uns aus dem Elend zu erlösen,
können wir nur selber tun!
kennen.
Die zweite Strophe haben sie aber nimmer gesungen, was vielleicht eh besser war, denn die ganze Performance wirkte derart durch und durch inszeniert, leidenschaftslos und verlogen, dass ich an dieser Stelle zwecks Verbreitung des richtigen Spirits Harald Schmidt teile:
Jedenfalls war mir danach ziemlich frustig zumute und nach dem Motto „Doch was soll’s, wenn dieser Tag sowieso verschissen is!“ habe ich auf die 1. Mai Veranstaltung der FPÖ geschaltet und katapultierte mich damit selbst aus den womöglich letzten Zuckungen einer vormals staatstragenden Gesinnungsgenossenschaft direkt in einen Ableger des Villacher Faschings.
Zumindest konnte ich bei dir lachen. Die ersten Sätze, die ich gehört habe, waren deine kurze Abhandlung über die „normalen“ Leute.
„.. und da rede ich von den normalen Leuten, sofern man das Wort überhaupt noch verwenden darf, ohne dass sich der nächste wieder irgendwie diskriminiert fühlt“
und
„das sind dann auch jene die wissen, dass es nur schwangere Frauen und nicht schwangere Personen geben kann. Unser Gesundheitsminister gehört nicht dazu, aber den möchat i ned amoi als Wähler haben“
Na bitte, da ging mir regelrecht das Herz auf!
Ich sah uns schon – wir beide vereint, ein Herz und Seele – im Kampf gegen die zunehmende Vertrottelung der Gesellschaft, zumal mir die Worte der SPÖ-Frauenvorsitzenden noch im Ohr klangen :
„… wenn eine Dragqueenlesung, eine Kinderbuchlesung nur stattfinden kann unter äußersten Sicherheitsvorkehrungen und Solidaritätskundgebungen, weil vor der Türe von einer KINDERBUCHLESUNG sich Leute sammeln und aufmarschieren, die Hitlergrüße machen, dann liebe Genossinnen ist das für uns auch ein Auftrag für uns als Antifaschistinnen und für uns als Feministinnen, dass wir uns genau gegen solche Rechten und Rechtsextreme ganz lautstark entgegenstellen“
Schade, dass zum heutigen Muttertag keine Dragqueenlesung angeboten wird. Das würde mir gefallen – mir von einem Mann mit kleschendem Make-Up in penetrantem Frauenfummel die Welt erklären lassen.
Na ja, ich kann mir statt dessen die ganze Faschingssitzung der FPÖ zum 1. Mai anschauen. Das Publikum dort wird genauso verarscht wie jene, die sich von der Wiener SPÖ Frauenvorsitzenden erklären lassen müssen, dass man als Feministin die Dragqueen-Kinderlesungen gefälligst super zu finden hat. Das hat sie wahrscheinlich irgendwann in ihrem Gender-Studies Studium aufgeschnappt, das sie seit 2016 (!) betreibt. Wundert mich eh nicht, dass dort nix weiter geht. Wäre auch mir zu blöd.
Ich wünsche allen Mamas und deren Kindern einen wundervollen Muttertag!
Und mir selbst und uns allen wünsche ich, dass wir uns nicht länger verarschen lassen. Von niemandem!
Liebe Grüße,
Cousine Daniela