Servus Kickl,
mir geht diese Fragerei von den Journalisten schon gehörig auf die Nerven. Diese ewige Auf-Fakten-Herumreiterei anstatt mich ordentlich reden zu lassen, das geht so auf die Dauer nicht. Was soll ich tun?
Karli aus Wien Amalia aus Mödling
Liebe Amalia,
ja, es ist ein bitteres Los, wenn man Fragen gestellt bekommt, deren Beantwortung einen absolut nicht interessiert. Es gibt verschiedene Strategien, die ich dir vorschlagen kann:
Der Gegenwind-Klassiker
Was du immer tun kannst, ist dich selbst zur windresistenten Heldin zu stilisieren. Wie du weißt, brauchst du als Heldin von Welt weder Charisma noch (Ge)Wissen. Im Gegenteil wirst du eher zur Heldin, wenn du besonders UNPOPULÄRE Maßnahmen durchdrückst, weil nur das von wahrer Stärke zeugt!
Die Migrations-Variante
Egal, was du gefragt wirst, die “Migration“ geht immer! Also die “illegale“, versteht sich! Nicht, dass du noch über Migrationsströme im Allgemeinen zu fabulieren beginnst.
Besonders gut eignet sich natürlich auch die Kombination mit dem “politischen Islam“. Damit zeigst du sofort, welche Bedrohungen für die Gesellschaft für dich die oberste Priorität haben!
Wenn dann ein renitenter Fernsehmoderator deine Antwort mit der Feststellung
“Ich frage nach schwarzen Netzwerken und Sie antworten mit ‚illegaler Migration‘ und ‚politischem Islam’“
(Armin Wolf, ZIB2, 20.01.2020 zu Karl Nehammer)
zusammenfasst, ist dir die Nominierung für die nächste Goldene Bla Bla Blase bereits sicher!
Den klitzekleinen Nebensatz betreffend Sicherungshaft
“Und ja, es soll IN ERSTER LINIE für Asylwerber gelten“
würde man wegen des Bla-Blas rund um die Migration gar nicht mehr so richtig wahrnehmen.
Die Je-mehr-Aua-desto-besser-Variante
Gerhard Schröder, der einstige Hartz-IV Held, wird heute noch verehrt. Eben wegen des Mutes zu “Entscheidungen, die weh taten.“
Je mehr Aua, desto besser. Also nicht für die Betroffenen, sondern für den Politiker. Besonders mutig gibt sich unsere bastianische Kürzlichkeit, wenn er also einen “noch strengeren Vollzug“ beim Arbeitslosengeld fordert.
Das wird sicherlich vielen wehtun, vor allem dann, wenn sie dann womöglich übersiedeln müssen, um eine Stelle anzunehmen, die vielleicht nur deshalb noch nicht besetzt ist, weil sie sehr schlecht bezahlt oder -wie in der Fremdenverkehrbranche oft üblich- ohnehin nur für ein paar Wochen bis Monate vakant ist.
Macht aber nix. Sollte er Gegenwind dafür ernten, dann ist er ja eh dafür angetreten (siehe Der Gegenwind-Klassiker)
Die Selten-und-Spezifisch-Variante
Du kannst natürlich auch jede Maßnahme damit argumentieren, dass sie eh nur “in sehr seltenen Fällen und nur sehr spezifisch zur Anwendung“ käme.
Das gilt (neuerdings auch aus grüner Sicht) für die Sicherungshaft, ist aber auch gut umlegbar auf jedes andere Thema!
So könntest du beispielsweise
– die Todesstrafe wieder einführen (wird eh nur selten und sehr spezifisch exekutiert)
– das AKW Zwentendorf umgehend ans Netz hängen (AKWs explodieren auch nur selten und dann nur unter sehr spezifischen Umständen)
– die lästigen Kontrollen an Flughäfen Zack Zack Zack aufheben (Terroranschläge in Flugzeugen sind doch sehr selten und auch immer ausnehmend spezifisch)
Die versteckte Variante
Die eleganteste Form der Steuerung ist und bleibt immer noch jene, indem du erst gar nix sagst, sondern einfach nur eine Zeile ins Regierungsprogramm schreibst, das eh keiner im Detail liest.
So kannst zum Beispiel ganz dezent
“Weiterentwicklung zur Optionalität zwischen Vorsorgeplänen mit und OHNE KAPITALGARANTIE bei der freiwilligen privaten Vorsorge“
reinschreiben, und niemanden juckt es.
Ein detailliertes Bild der Verknüpfung von Unternehmerinteressen und diesem Nebensatz hätte ja keiner.
“Daher forderte der BlackRock-Chef die Regierungen auf, in ‘Zusammenarbeit mit den Unternehmen eine langfristige, ganzheitliche Strategie‘ zu verfolgen. Um die Menschen zur Geldanlage in Aktienprodukte zu motivieren, sei jedoch eine gesetzlich garantierte Mindestverzinsung privater Altersvorsorgeprodukte, wie sie beispielsweise für Kapitallebensversicherung gilt, hinderlich.
[…]
Wie durch ein Wunder tauchten genau diese Gedanken ein halbes Jahr später in einem Gesetzentwurf ein ‘europaweites privates Altersvorsorgeprodukt‘ auf, den der Finanzkommissar Valdis Dombrovskis in die Brüsseler Gesetzgebung einbrachte. Der Name des Modells: PEPP, die Abkürzung für Pan-European Personal Pension. Ein garantierter Mindestzins und Kapitalgarantien sind darin nicht vorgesehen.“
Die Frühaufsteher-Vorbild-Variante
Die “Je-mehr-Aua-desto-besser-Variante“ kann auch noch mit einem gelungenen Auftritt garniert werden.
Wenn zb seine Kürzlichkeit der Ansicht ist, dass “immer weniger Menschen in der Früh aufstehen, um zu arbeiten“, dann ist es schon besonders schick, wenn er sein neues grünes Vizekanzler-Beiwagerl um sechs Uhr Früh mit in die Bäckerei nimmt.
Sehr schick, so ein vorbildlicher Frühaufsteher-Auftritt! So sollte es allen faulen Wienern gleich noch viel mehr am Herzen liegen, gen Westen für irgendeinen Job zu ziehen!
Dich, liebe Amalia, kann ich jedenfalls nur beglückwünschen, dass du aus Mödling kommst. Es hätte ja auch ein Meidling sein können, und wer weiß, was dann aus dir geworden wäre …
Herzliche Grüße,
Die Kickl
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