#Brieferl No.129– Helden ohne Charisma





Lieber Cousin Herbert,

zuerst einmal möchte ich dir auf diesem Wege herzlich zum 50. Geburtstag gratulieren. So ein Runder lässt sich wohl als Minister besonders gut feiern, weshalb es umso besser ist, dass du den Unkenrufen einiger Mitbürger nach Rücktritt keine Folge leistest.

Im Gegenteil bist du für manche sogar fast so etwas wie ein Held, wenn auch in Gestalt des “Bad Cop“. Aber immerhin nimmst du damit dem Bumsti Arbeit ab und das ist jedenfalls ein Verdienst.
https://diepresse.com/home/5515091/Strache-ueber-Kickl_Froh-dass-er-jetzt-der-Bad-Cop-ist

Nach dem großen Auftritt vom Basti letzten Samstag und seiner Verschlankungsshow “Die Veränderung hat begonnen. Bewegung für Österreich“ war in so manchen Medien vom Charisma des Sebastian Kurz zu lesen.

Das hat mich nicht losgelassen, weil ich selbst den Basti so gar nicht als charismatisch empfinde. Was nichts damit zu tun hat, dass ich ihn nicht leiden kann.

Bei meinem letzten Wienbesuch war ich zu einer Vernissage eingeladen.
Mir schwante bereits Schlimmes, als ich am Weg von der Bimstation zum Veranstaltungsort zwei aufgemascherlte Damen traf, die vor lauter Gezupfe an ihren kurzen Röckchen den Weg nicht finden konnten.

Die Bilder dieser Ausstellung waren durchaus sehenswert, wenngleich der Aufmarsch der geschniegelten schicken Mickis mir den Appetit am ohnehin nicht erquickenden Fingerfood zu verderben drohte.
Da hätte er schön hingepasst, der Basti. Blabla hier, Bussibussi dort, alles ausgelegt auf boboeske Intellektualität.
Eine Ansammlung von Salonsozialisten, die keinen Schimmer von den Schwierigkeiten derer haben, für die sie sich vermeintlich einsetzen würden. Woher auch, wenn sie selbst doch augenscheinlich auf der Butterseite gelandet waren.

Glücklicherweise konnte ich doch noch einen interessanten Gesprächspartner ausmachen.
Es war jedoch nicht der Journalist, der die Diskussion über die E-Mail vom Innenministerium betreffend Umgang mit “kritischen Medien“ für eine Rede zum Thema “die FPÖ muss noch viel stärker werden, weil sie dann eh von alleine versagen wird“ nutzte. Auch nicht der Herr, der mir erklären wollte, dass neoliberales Wirtschaften mit am besten gar keinen Regulativen auch dem gemeinen Bürger angeblich nichts als Vorteile bringt.

Es war der Türsteher, der mir den Abend gerettet hat.
Sein (vielleicht berufsbedingt) grimmiges Auftreten, seine Herzlichkeit, mit der er einem kleinen Mädchen, das von den Gästen unbeachtet geblieben war, über den Kopf gestreichelt hat und sein schnörkelloses Reden gaben mir das Gefühl, dass er sich auskennt. Wahrscheinlich nicht in der Kunst, ebenso wenig in der Wirtschaft und Experte in Sachen Politik war er wohl auch nicht. Lediglich im Leben, da schien er sich auszukennen. Das war sicher einer, der schon viel gesehen, viel erlebt und noch mehr mitgemacht hat. Und der genau deshalb Vertrauen erweckt und charismatisch wirkt.

Charisma hat immer etwas mit Lebenserfahrung zu tun. Und mit einem dazugehörigen Maß an Durchleben nachteiliger Situationen, gemeinhin als Leid bezeichnet. Die spannendsten Figuren, die interessanten Menschen sind immer jene, die ein gewisses Leid erlitten und dieses vor allem überwunden haben. Insofern hat selbst Darth Vader, trotz fehlender Mimik, mehr Charisma als unser Basti.

Aber ich mag dem Basti nicht eine gewisse Wirkung absprechen.
Es ist jedoch nicht Charisma, sondern das neuartige Heldenverständnis, welches er bedient.
Früher waren Helden ja immer welche, die unter gewissen Gefahrenmomenten irgendeine gute Tat vollbracht haben.
Robin Hood, als Rächer der Entrechteten, oder der tapfere Feuerwehrmann, der mittels klappriger Leiter ein Kätzchen aus dem Baum gerettet hat, kann man als Helden in ihrem Metier ansehen.

Ich habe kürzlich einen Tweet gelesen, der mich zuerst regelrecht fassungslos gemacht hat. Weil ich die Heldenverehrung für den Hartz IV – Erfinder im heutigen Bewusstsein der vielen negativen Auswirkungen seitens einer SPD-Politikerin nicht nachvollziehen konnte.

Aber ja – das ist es! Das ist der Stoff, aus dem die heutigen Helden gemacht sind. Von wegen Katzen aus Bäumen retten. Je mutiger man Entscheidungen trifft, die noch mehr weh tun, desto mehr Held!

Warum hat Trump gewonnen? Weil er ein so tolles Programm präsentierte oder weil er so unglaublich charismatisch wirkt?
Weder noch, sondern weil er mutig den Helden gibt, der auch Mauern zum Schutze der Befohlenen bauen würde. Der sich wagemutig dem unpopulären, aber gerade deshalb so notwendigen Entfernen der “Obamacare“ widmet.

Unser Basti ist der größte Held von allen. Er will ja so viel gar nicht, aber es steht nun einmal so im Regierungsprogramm. Er will ja so gerne die Migration in den Griff bekommen, aber er weiß auch, dass es „nicht ohne hässliche Bilder gehen wird“.

Er weiß, dass viele seiner Maßnahmen so dermaßen unpopulär sind, dass sie Gegenwind erzeugen. Was wäre ein Held, der klein beigeben würde, ist der Held doch gerade dafür angetreten.

Der Held ist einer, der sich der Wirkung seines Heldentums dank möglichst unpopulärer Maßnahmen schon 2014 bewusst war.

Die gesamte Regierung befindet sich aktuell im Umfragehoch.

“Laut Umfragen haben die Blauen seit der Wahl nur zwei bis drei Prozentpunkte eingebüßt – TROTZ unpopulärer Maßnahmen wie Ceta oder 12-Stundentag.“

https://www.kleinezeitung.at/politik/innenpolitik/5512750/TuerkisBlau_Eine-Koalition-im-Umfragehoch

Falsch ist lediglich das “trotz“ – es ist genau “wegen“ der unpopulären Maßnahmen! Weil ohne unpopuläre Maßnahmen kann es keinen Helden geben, der sie durchzieht.

Und da darf, oder besser MUSS sich der Held sogar mit Menschen anlegen, die andere Menschenleben vor dem Tod retten. Wie jenen von Ärzte ohne Grenzen. Weil er doch weiß, dass es nur das Unpopuläre ist, das ihn zum Helden macht.

Es scheint zu wirken. Der Held ist der Held, weil er schon wissen wird, was er tut.
Weil er schon wissen wird, dass es zwar unpopulär ist, wenn er nicht nur bei den Migranten spart, sondern auch bei den anderen. Bei uns selbst.
Da darf man sich auch nicht erschüttern lassen, wenn man als Arbeitssuchender von einem Computerprogramm klassifiziert wird.

Da kann man die Maßnahme hundert Mal falsch finden, das ist egal. Denn der Held geleitet uns, der Heiland geht vor uns.

Je unpopulärer seine Maßnahmen werden, desto größer wird sein Heldenstatus. Wegen des Mutes warat‘s. Und je größer der Status ist, desto kleiner wird der normale Bürger, was zwar beim Aufschauen recht praktisch ist, aber Augenhöhe vermissen lässt.

Wie man den Bundesmaturanten des Heldenstatus entledigen kann, fragst du, weil du selbst gerne ein großer Held wärst? Das werden in den nächsten Brieferln besprechen.

Liebe Grüße,
Cousine Daniela




7 Antworten auf „#Brieferl No.129– Helden ohne Charisma“

  1. Wie gut das ich diesem „Helden“ nicht begene, denn ich müsste mich unglaublich Heldenhaft in den Griff bekommen um nicht sehr grenzwertig ausfällig zu werden. Diese eckelhafte Witzfigur löst in mir ganz schreckliche Allergien aus. Aber danke für ihr Brieferl, das ich, wie immer mit dem größten Vergnügen gelesen habe. L. G.

  2. Blickt man auf die Helden der vergangenen Jahrzehnte zurück, so sind die meisten tot oder in der Versenkung verschwunden. Was immer sie zu Helden hat werden lassen oder gemacht hat, meist sind sie verschwunden so schnell wie sie gekommen sind. Die Frage ist, was macht einer, der außer einer Matura und einem Wertbild aus den Dreißiger- und Vierziger-Jahren des 20. Jahrhunderts nichts zu bieten hat, wenn es mit kanzler aus ist? Mit 40 ist er dann am Arbeitsmarkt nur noch schwer vermittelbar und muss auf was Richitges umgeschult werden. Polizist vielleicht, damit er seine Aggressionen dann besser kanalisieren kann,…

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