Lieber Cousin Herbert,
mich hat der Slogan “sozial ist, was stark macht“ von deinem Regierungschef, jenem welterfahrenen Bundesmaturanten Heiland-Basti, nicht losgelassen. Um mich konstruktiv zu zeigen, habe ich einen Tag lang seine Theorie an lebenden Objekten in meiner Umgebung ausgetestet. Hier mein Erfahrungsbericht.
Zuerst fuhr ich mit dem Auto zum nächsten Supermarkt. Etwa auf der Mitte des Weges war ein Hund gerade dabei, die Straße zu überqueren. Ohne dazugehöriges Herrchen oder Frauchen und auch ohne Halsband. Hunde sind ja auch soziale Wesen, weshalb er zum ersten Kandidaten auserkoren wurde. Üblicherweise bremse ich für auf der Straße herumlaufende Tiere, nachdem ich mich mit einem kurzen Blick in den Rückspiegel vergewissert habe, dass kein anderes Auto an meinem pickt.
Instinktiv wollte ich das wieder tun, aber dann ist mir der Satz “sozial ist, was stark macht“ ins Autofahrerhirn geschossen. Anstatt der Bremse habe das Gaspedal betätigt. Das hat Wirkung gezeigt. Der Hund hat bemerkenswert große Augen gekriegt und ist knapp, aber doch mit einem unglaublichen Speed davongelaufen.
Mission 1 accomplished. Augen- wie Beinmuskulatur des Hundes wurden exzellent trainiert. Wenn das nicht stark macht, weiß ich auch nicht weiter. Auch die Angst, die ihm auf der gegenüberliegenden Strassenseite zum Zittern brachte, kann für seine Zukunft nur gut sein. Nur wer Angst kennt und damit umgehen lernt, ist stark!
Im Supermarkt angekommen schlich ich unauffällig bei den besonders hohen Regalen herum. Immer wieder passiert es mir nämlich dank meiner Körpergröße von beinahe 1,80 m, dass irgendeine klein geratene Person um meine Hilfe beim Herausholen eines hoch gelagerten Artikels bittet. Bisher bin ich diesem Wunsch immer gerne nachgekommen, weil ich doch auf dem sozialen Holzweg war.
Tatsächlich brauchte ich nicht lange zu warten und schon stand eine ältere, besonders klein geratene Dame mit Gehstock neben mir. Sie wollte unbedingt einen Kuchen aus dem obersten Regal. Von mir kriegt sie den schon mal sicher nicht, das stand fest.
Zuerst erklärte ich ihr, sie möge doch ihren Gehstock zum Einsatz bringen. Sie wird es doch schaffen, auch ohne das Ding zu stehen und gleichzeitig damit so lange im Regal zu hantieren, bis der Kuchen herunterfällt. Und sich zu bücken sollte sie dann auch noch schaffen. Das stärkt außerdem die Rückenmuskulatur.
Die Dame machte zwar einen kooperativen Eindruck, jedoch schien mir der Level an Energie, den sie aufzubringen bereit war, definitiv zu wenig. Als sie den Gehstock in die Höhe riss, kippte sie beinahe um. Es wurde mir klar, dass das so nix wird.
Wie immer zu Jahresbeginn war der Markt auch diesmal voll von Fitnessgeräten, die bei zweckdienlicher Anwendung dem weihnachtlichen Speck zusetzen sollen. So begab ich mich in die andere Abteilung, um entsprechend unterstützendes Equipment zu besorgen. Ich schwankte zwischen dem Balance-Ball und dem Peanut Gym Ball.
Beide waren zweifelsfrei dafür geeignet, nicht nur grundsätzlich stärkend, sondern vor allem erhöhende Wirkung zu haben. Damit sollte der Kuchen erreichbar sein.
Die Kooperation der Pensionistin ließ zu wünschen übrig. Sie weigerte sich standhaft, auf dem Balance Ball zu balancieren und wünschte mir die Peanut dorthin, wo keine Sonne scheint. Ein anderer Kunde raste der Dame zu Hilfe und holte ihr nicht nur den Kuchen, sondern begleitete sie auch noch durch den Markt. Für meine beherzte Rede, man möge sich doch gewahr sein, dass einzig “sozial ist, was stark macht“ und sich außerdem den österreichischen Kanzler zum Vorbild nehmen, erntete ich Handzeichen, die ich hier nicht weiter beschreiben werde.
Mission 2 leider nicht accomplished.
Vielleicht muss das mit dem “stark machen“ erst noch ein bisschen sickern.
Am Weg zurück zum Auto wurde ich noch auf einen Obdachlosen aufmerksam, der faul in der Kälte herumsaß und eine kleine Schale mit ein paar Centmünzen vor sich stehen hatte. Seine flehender Blick sagte mir, dass er eine Spende meinerseits erhoffen würde. Aber sicherlich nicht! “Sozial ist, was stark macht“ erklärte ich ihm, während ich ihm die Schale klaute. Du glaubst gar nicht, wie schnell der auf den Beinen war!
Ich musste mich dann schnell in Sicherheit bringen, weil ich doch den Eindruck hatte, er hätte meine Stärkung in den falschen Hals bekommen. Da ich aber auf ein derartiges Benehmen vorbereitet war, warf ich ihm beim Davonlaufen noch ein paar Zeitungsannoncen mit Job- und Mietangeboten hinterher. Der Undankbare verwendete die aber nicht zum Durchblättern, sondern zum Wärmen.
Mission 3 leider auch nicht accomplished.
Ich hatte den Eindruck, die Leute wollen nicht begreifen.
Blieb noch die Frage offen, was ich mit den erbeuteten Münzen aus der Schale machen sollte. Selber behalten wäre weder in Ordnung noch sozial. Also tat ich das, was auch unser Basti machen würde. Das Geld jenen geben, die es wirklich brauchen. Weil wenn es der Wirtschaft gut geht, dann geht es uns allen gut und das ist doch das Ziel.
Also fuhr mit dem Auto nach Hollyhill, Cork, das von den dortigen Mitarbeitern auch gerne wie liebevoll “Hollyhell“ genannt wird. Wenn jemand auf Unterstützung angewiesen ist, dann kann es nur die Firma Apple sein. Die Aktien befinden sich wieder einmal im Abwärtstrend und da kann jeder Cent helfen. Mit rechtschaffener Dankbarkeit wurden die Münzen vom hiesigen Management übernommen. Ich ließ mir das Versprechen geben, dass der Betrag unmittelbar auf das Konto vom Tim Cook persönlich überwiesen würde. Weil doch die zweite Ableitung der Wirtschaftlichkeitsregel lautet: “Geht‘s dem CEO gut, geht‘s den Mitarbeitern gut“.
Mission 4 accomplished.
Auf der Heimfahrt ließ ich meinen Gedanken freien Lauf und kam zu dem Entschluss, dass nicht ich es bin, die sich am sozialen Holzweg befindet, sondern der werte Kanzler. Insofern habe ich mich entschlossen, das Experiment ein solches sein zu lassen und weiterhin für Hunde zu bremsen, kleinen Menschen den Kuchen aus dem Regal zu holen und Obdachlosen Geld zu geben.
Und nicht zu vergessen Brieferl zu schreiben, damit das Elend vielleicht ein bisschen früher seinem natürlichem Ende zugeführt wird.
Liebe Grüße,
Cousine Daniela
Liebe Cousine Daniela, ihr liebevoller Zynismus ist dem das Bundesmaturanten bei weitem vorzuziehen
Was ich nicht verstehe, wieso nicht ganz Österreich aufgeschrieben hat, als dieser Satz aus dem Roboter herausgesprudelt ist, vielleicht durch eine Fehlschaltung im System?? Wieso lese ich jetzt zum ersten Mal, dass jemandem dieser Satz sehr dumm und bösartig aufgefallen ist?? Warum haben offizielle Medien diesen Blödsinn nicht sofort entlarvt?? Fällt so ein unverfrorener, inhumaner Zynismus, der so einem Satz innewohnt, kaum mehr auf?? Gewöhnt sich die Mehrheit bereits an die Dummheit dieser Herrschenden??
stimmt, ging an mir auch vorbei…
eigentlich: gott sei dank (wengan blutdruck warats…).
BRavo, Frau Kickl! endlich habe ich ein paar Verhaltenstipps bekommen, will ja auchnicht zu den Verlierern gehören….
Liebe Cosine von unserem Innenminister
Ich möchte Ihnen für Ihre Artikel meine aufrechte Bewunderung und Dank aussprechen.
Sie zeigen nicht nur eine ironische Antwort auf die z.Z. regierenden Selbstdarsteller, sondern auch Mut und Haltung in unbequemen Zeiten.
Liebe Fr. Kikl,
es fällt mir schwer und ein wenig schäm ich mich, für den 149. Brief der Edition „Verwandte kann man sich nicht aussuchen“, einen Verbesserungsvorschlag vorzubringen. Nicht etwa inhaltlich oder stilistisch, da No.149 mit Sicherheit wie alle Vorangegangenen (die mir noch unbekannt sind), feinsinnige Buchstabencollage bietet. Vielmehr geht es um den Titel, der Kurz gesagt mit „Der soziale Holzkopf“ womöglich einem Bundesmaturanten besser zu Gesicht stünde.
Das fehlende „c“ in der Anrede wurde bewusst unterschlagen, um negative Assoziationen abzuwenden, außerdem gelobe ich ab jetzt regelmäßig Brieferl zu lesen und nie wieder anmaßende Verbesserungsvorschläge einzubringen.
es ist eine Schande, dass der BK von Ö solche Äusserung macht.
Man muss sich schämen.
Eines der besten Brieferln … vielen Dank!
Liebe Daniela, meine Hochachtung für Ihre ironische spitze Federr!! Schade, dass Basti trotz Matura nichts versteht!
Liebe Dani,
Er hat auch noch gesagt, die Eltern würden liegen bleiben, während die Kinder aufstehen und zur Schule gingen. VolksschülerInnen? Die stehen alleine auf und machen sich fertig? Also, die sind ja unerzogen!!! Meine haben mir auch noch den Kaffee und das Frühstück ans Bett gebracht, bevor sie sich in die Schule vertrollten, damit ich mir die Vormittags-Endloswiederholungen fader ORF-Serien oder deutsche Assi-TV-Sendungen in Ruhe reinziehen konnte, bis die Kinder mir das Mittagessen serviert haben, das sie für mich gekocht hatten.
Vielleicht war das ja beim Basti zuhause so, weil er das so genau weiß. LG Brix
Ein paar Blauen in der Tiroler AK ist es doch aufgefallen, daß die „soziale Heimatpartei“ den sozialen Holzweg hinunterschrammt.
Daher hat sich die blaue Liste „Freiheitliche Arbeitnehmer in der AK Tirol“ soeben aufgelöst und unterstützt nun den (schwarzen) AK-Präsidenten Zangerl.
Begründung:
„… die arbeitnehmerfeindliche Poitik der Bundesregierung …“
„Diese Angriffe auf die Arbeitnehmerrechte sind nicht mit unserem Verständnis eier sozialen Heimatpartei zu vereinbaren.“
Mutige und klare Worte … Chapeau & Respekt!
Siehe ganzseitiges Inserat:
https://epaper.meinbezirk.at/load/sto/1901/1508/f.RMA_16_01_2019.xQncE_IbSaI19ZZVPtnAow.pdf
Ausgabe vom 17.01.2019, Seite 17