#Brieferl No.162 – Bitte weiter so





Lieber Cousin Herbert,

auch wenn es mir selbst nicht hätte träumen lassen, muss ich heute explizit sagen: bitte macht weiter so! Der beschrittene Weg ist so unglaublich, dass die Wähler es euch sicherlich bei der nächsten Gelegenheit danken werden. Hier eine kurze Zusammenfassung eurer neuesten wie tollsten Vergehen – pardon – Vorgehen:

1) Message Control de Luxe

“Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“ war gestern. Niemals sollte man als Regierung, die seriös wirken will, in Statistiken irgendwie eingreifen. Natürlich nicht! Aber es gibt Alternativen.

Einerseits könnte man die Bewertung von Bürger/Leser-Meinungen getrost befreundeten Medien überlassen, die freilich, der Unschuldsvermutung folgend, dies nicht tun würden. Auch wenn sich der Presserat sicherheitshalber so manche Postings genauer anschauen will.

Andererseits gibt es eine schöne Möglichkeit, gewisse Daten und Auswertungen nicht anzurühren, jedoch “Deutungshoheit“ über sie zu erlangen.

„Das würde der Regierung einen Informationsvorsprung und damit die Deutungshoheit über die Daten verschaffen“, meint ein Mitarbeiter der Statistik Austria gegenüber profil.

Mit dem ewig gleichen Slogan “Sparen im System“ argumentiere man Umbauten, die dann dazu führen, dass

“künftig die Außenkommunikation der Statistik vom Kanzleramt aus koordiniert werden soll. Das Ganze ist Teil der türkis-blauen Message-Control: Die Regierung will im Zuge der Strategie früh an Informationen gelangen, um diese in der Öffentlichkeit selbst interpretieren und präsentieren zu können.“

Das ist viel besser, als selber irgendwelche Statistiken zu machen. Es reicht völlig, wenn Ergebnisse selbst interpretiert und entsprechend präsentiert werden können. Vielleicht kann man auch das eine oder andere Ergebnis gänzlich weglassen.

Anhand des Vertrauensindex vom September 2018 kann ich dir zum Beispiel sagen, dass du ausnehmend vertrauenswürdig bist.

https://diepresse.com/home/innenpolitik/5496668/Vertrauensindex_Kurz-steigt-Kickl-und-Hartinger-sinken

Weil dein Saldo zwischen “Habe Vertrauen“ und “Habe kein Vertrauen“ nur bei minus 30% Prozent liegt. Es hätten ja viel mehr sein können! Und wenn ich dann noch die anderen, die alle vor dir liegen, nicht erwähne, dann hast du sowieso schon gewonnen, auch wenn du in Wahrheit fast Schlusslicht bist.
Das habe ich schön “gedeutet“ für dich, nicht wahr?

2) Wer im System spart, kann kleckern und muss nicht klotzen

Es ist so gut, dass vielerorts gespart wird.
Bei der Mindestsicherung.
Bei der Kinderbeihilfe für Nachwuchs, der nicht in Österreich lebt.
Bei Frauenprojekten.
Im Justizbereich.

Dafür kann man sich dann schon etwas leisten. Wie zum Beispiel Fotos auf jeder E-Card. Der (finanzielle) Schaden, der bisher durch Missbrauch entsteht, ist zwar sehr gering (weniger als 1.000 Euro in den Jahren 2017 und 2018), aber das macht nix.
“Die zusätzlichen Kosten für die Anbringung des Fotos werden mit zehn bis zwölf Millionen Euro beziffert.“

Gut aber, dass der Kurier auch folgenden, absolut skandalösen Fall dokumentiert hat:

“Vor wenigen Monaten wurde ein Fall einer 84-jährigen nichtversicherten Frau aus Tirol bekannt, die sich mit der eCard ihrer Tochter eine Operation und Reha-Maßnahmen erschlichen haben soll.“

Das nenne ich dreist! Das könnte die Runde machen, weil ich mir mehr als nur sicher bin, dass die betagte Dame diese “Erschleichung“ aus Jux und Tollerei zum Entrinnen ihres faden Alltags begangen hat. Hoffentlich sieht das keine unversicherte “Oma gegen Rechts“, die sich dann auch noch geschwind eine OP und eine Reha “erschleicht“.

3) Die Technik ist ein Hund

So, so, so, so unglaublich gerne hätte Norbert “wir werden uns noch alle wundern“ den Abbiegeassistenten für LKWs per Gesetz verpflichtend eingeführt. Aber es geht nicht. Leider, leider, leider.

Weil es doch so ist, dass diese Abbiegeassistenten manchmal auch auslösen, wenn ihnen beispielsweise ein Hydrant im Wege steht. Das ist gut nachvollziehbar. Weil Hydranten doch stets plötzlich wie unvermutet auftauchen und keinesfalls schon beim Fahren gesehen werden.

Außerdem, so sagt der werte Minister, sei der Assistent “europarechtlich nicht möglich“.
Seit wann genau interessiert sich diese Regierung dafür, ob etwas europarechtlich möglich ist? Schon im März 2018 gab es eine Studie der JKU Linz, die besagt, dass die Indexierung der Kinderbeihilfe “mit EU-Recht unvereinbar“ sei. Und? Wen hat‘s gejuckt? Eben ….

Na, macht ja nix. Dafür hat der Minister andere Visionen und “setzt bei der Forschungsförderung auf pilotenlose Flugtaxis“. Die sind sicherlich viel innovativer und spannender als so ein fader Abbiegeassistent.

Außerdem betreffen die 440 Millionen Euro pro Jahr nur die Förderung von “Forschungsideen“, wie eben das “Lufttaxi“. Na schade, dass der Abbiegeassistent nicht unter Forschungsidee fällt.

Aber vielleicht wollte der werte Minister bloß nicht anstreifen, nicht an der Wirtschaftskammer und/oder der Industriellenvereinigung.

Insgesamt kann ich eben nur meine Aussage vom Anfang unseres heutigen Brieferls wiederholen: bitte, bitte macht unbedingt weiter so!

Die Familien derer, die finanziell wie tatsächlich unter die Räder gekommen sind, werden es euch sicherlich danken!

Liebe Grüße,
Cousine Daniela




3 Antworten auf „#Brieferl No.162 – Bitte weiter so“

  1. Ich denke mir manchmal auch, dass das eigentlich super ist wenn die nur Mist bauen, weil sie sich praktisch selbst matt setzen.
    Aber dann red ich wieder mit irgendwelchen Leuten und die finden das alles ok. Das lässt mich immer ganz fürchterlich an meinen Mitmenschen zweifeln.

  2. Woche für Woche wundere ich mich, was alles noch möglich ist….Bin schon sehr gespannt wie lange diese Regierung weiter so fuhrwerken kann.
    Danke für das Brieferl und somit auch die Erinnerung der neuerlichen Unglaublichkeiten

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