#Brieferl No.198 – Eine Frage der Politik oder 11.822 Tage





Lieber Cousin Herbert,

wir haben uns doch schon des Öfteren in unserer netten Konversation hier darüber unterhalten, was einen guten Politiker oder auch Politikerin ausmacht. Wenn du dich bitte beispielsweise an das Brieferl No.74 – Harmonisch durch die Grillsaison erinnerst, in dem wir folgendes besprochen hatten:

“Ich frage mich, wie man es anstellen könnte, dass überhaupt nur gefestigte Persönlichkeiten ins Parlament kommen. Menschen, die Überzeugungen haben, zu diesen stehen und sich vom System nicht korrumpieren lassen.“

Dazu passend hat mir ein Fan die Ansichten eines Basti-Jüngers zukommen, der seine Leidenschaft für den Heiland am Geilomobil wie folgt beschreibt:

“Ganz einfach, weil er die goldene Mitte repräsentiert. Keine extremen Roten, die Jeden und Alles ins Land lassen und keine extremen Blauen, die Keinen mehr ins Land lassen wollen. Er mit seiner Ruhe, seiner Ausstrahlung hat bereits und wird wieder Stabilität bringen. Mit seiner jugendlichen Dynamik wird er Österreich wieder nach vorne bringen und die verkrusteten Strukturen der früheren Regierungen verändern. Und genau das ist es, was die Mehrheit der Österreicher auch möchte. Einen klaren, dynamischen, eloquenten und in der Welt bereits sehr geschätzten Bundeskanzler. Es hätte auch mit den Blauen funktionieren können, wenn die nicht so einen bodenlosen Unsinn gemacht hätten. Echt schade!“

Wie sich die Menschen doch hinters türkise Licht führen lassen, nicht wahr? Das hat er schon gut hinbekommen, der Basti, dass er den Leuten eingeredet hat, nur mit ihm gäbe es Stabilität. Und du hast ja auch immer dein Scherflein dazu beigetragen, indem du immer von der notwendigen Erhöhung der Sicherheit und der Überwachungsmaßnahmen fabuliert hast.

Auch dieses konsequente Ignorieren der früheren ÖVP-Regierungsverantwortung scheint sich bis zu den Getreuen ordnungsgemäß zwar inhaltlich falsch, aber dennoch durchgesprochen zu haben.

Nur zu Erinnerung: von 21. Jänner 1987 bis 3. Juni 2019 war die ÖVP in der Regierung. Also ganze 32 Jahre, 4 Monate, 14 Tage. Oder 11.822 Tage.

An Stelle der verbliebenen bzw. hoffentlich noch vorhandenen Schwarzen in der “türkisen Mäderl- und Buberlpartie“ tät ich ja mal nachfragen, ob seine Kürzlichkeit in der Schule eventuell nicht so genau aufgepasst hat. Aber vielleicht hat er das eh immer brav mitgeschrieben und sich auch ein paar Dinge gemerkt und tut nur so, als ob er von nichts wüsste. Weil er so leichter die Stabilitätskarte ausspielen kann.

Aber ich möchte niemandem vorhalten, dass er oder sie ein falsches Bild im Kopf hat. Man hat ja so viele Bilder im Kopf. Der wahre Computerspezialist zum Beispiel kann nur der ungewaschene und müffelnde Hornbrillenträger sein, die Karrierefrau ist mit Stöckelschuhen auch seriöser und der arbeitssuchende Wiener schläft den ganzen Tag, während die Kinder sich alleine Frühstück machen müssen.

Was ich Basti aber vorhalten kann und auch werde, ist, bewusst falsche Bilder zum Zwecke der eigenen Politkarriere in den Köpfen der Menschen zu erzeugen. Das nennt man auch Demagogie.

Na ja, wahrscheinlich kann er nicht anders, der Basti. Wenn er den Leuten inhaltlich von seinen Plänen erzählen würde, wäre der Erfolg wohl eher bescheiden statt beschieden.

Du erinnerst dich sicher an das Brieferl No.69, in dem ich dir vom bis dato geheimen “Original-Rezept für den Schasklappersdorfer Reichenauflauf“ erzählt habe. Neben den Zutaten ist vor allem der Zeitpunkt, zu dem der Reichenauflauf zuzubereiten ist, von größter Relevanz.

Das ist nämlich genau dann der Fall, wenn die Zeichen auf echte Veränderung (und nicht die türkise Pseudo-Veränderung) stehen. Zur Erinnerung:

1) Klimawandel, der einen Zusammenhalt der gesamten Menschheit erforderlich macht (Geld kosten wird der Schmarrn wahrscheinlich auch)
2) Künstliche Intelligenz, die menschliche Arbeit ersetzen wird (wen kann man dann noch ausnehmen?)
3) Drohendes Aufbegehren der working poor, die zwar bis zum Umfallen hakeln, aber dennoch nicht g‘scheit davon leben können (sind eh viel zu anspruchsvoll)
4) Aufkommende Zweifel in der Masse, ob das System des Kapitalismus wirklich das “Gelbe vom Ei“ ist, wenn 10% der Weltbevölkerung 85% des Vermögens besitzt und die ärmsten 50% zusammen nur 1% (das ist eben der “naturgegebene“ Unterschied zwischen Leistungsträger und Arbeitskraft)
5) Krude Ideen wie das bedingungslose Grundeinkommen machen die Runde (zu wessen Lasten sollte das denn gehen, wenn nicht zu Lasten der Reichen!)

Mir ist unlängst (“vor Kurzem“ sage ich ja nimmer) ein Zitat von Immanuel Kant (der Philosoph, nicht der von der Wurst (was ist eigentlich aus den beiden lahmen Orbán-Pferderln geworden?)) eingefallen:

“Die Möglichkeit zu entscheiden reicht weiter
als die Möglichkeit zu erkennen”

Ja genau! Ich freue mich immer sehr, wenn ich dir ein Brieferl schreiben und so mit dir meine Erkenntnisse besprechen kann. Noch besser wäre es aber doch, wenn ich die “Möglichkeit zu entscheiden“ nutzen könnte.

Zufälligerweise ist heute wieder einmal ein sehr interessanter Artikel erschienen: “Die Diktatur am Arbeitsplatz“. Oh ja, da kann ich leider auch viel dazu erzählen, was ich auch schon getan habe.

Und wir brauchen uns nicht in vermeintlicher Sicherheit zu wiegen, dass die amerikanische Welle der Objektivierung des menschlichen Subjekts nicht auch ins neuerdings auf neoliberalen Schwingen dahinschwirrende Europa schwappen könnte.

“Die Probleme der Politik rühren daher, dass wir alle Subjekte sind und dennoch die Anderen als Objekte ansehen und behandeln“

steht in der Einleitung zu Aristoteles‘ Politik geschrieben, das mir mein Schatzi zu Weihnachten geschenkt hat.

Politiker werden ja tendenziell als wenig vertrauenswürdig wahrgenommen. Was vielleicht auch an o.g. Objektivierung des Subjekts liegt. Der Ibizaausflug von Bumsti und Joschi war leider auch nicht wirklich hilfreich.

Dafür hat der irische Taoiseach (gesprochen: Tischok; Premierminister, Regierungschef) Leo Varadkar,der vor seiner politischen Karriere als Arzt praktiziert hatte, im Interview beim Wiener Opernball folgendes gesagt:

“Ich denke, in der Politik ist es immer wichtig, Erfahrungen aus einem anderen Job zu haben.“

Jetzt fragst du dich sicher wieder, warum ich dir das alles erzähle, richtig?

Weil ich glaube, dass ich eine gute Politikerin abgeben kann. Was manche zu wenig bis gar nix an Lebens- wie Berufserfahrung und Bildung mitbringen, kann ich lockerst bieten.
Was Andere an Betriebsblindheit und mangelnden Mitgefühl für das Subjekt Mensch an den Tag legen, kann ich bestens ausgleichen.
Und wenn wieder Andere Hetzerei verwenden, um sich selbst ins Rampenlicht zu stellen, dann kann ich sagen: lasst es sein. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem der Zusammenhalt wichtiger ist denn je.

Und so habe ich mich entschlossen, bei den Wiener Grünen meine Kandidatur für die Landesliste und damit den Nationalrat einzureichen. Schau ma mal, was sie nächste Woche dazu sagen werden.

Vielleicht kann ich ja sie davon überzeugen, dass die Kombination aus meiner (Aus)Bildung und Lebenserfahrung, gepaart mit kritischem Geist und einer gesunden Portion realistischen Optimismus und Zuversicht genau das ist, was die Grünen, ja ganz Österreich, brauchen.

Ich hoffe sehr, du drückst mir die Daumen. Ich habe jedenfalls unseren gemeinsamen Fans bereits zugesichert, dass ich mich um einen Sitzplatz neben dir bemühen würde. Das wäre insofern praktisch, weil ich dir dann die Brieferln, die du auf jeden Fall weiterhin bekommen wirst, heimlich zustecken könnte.

Nur tratschen dürften wir halt nicht allzu viel. Aber lustig hätten wir es auf jeden Fall. Denn eines kannst du dir sicher sein: meine Reden würden im gleichen Stil geschwungen werden wie die Brieferl geschrieben. Das kann für die Demokratie in Österreich nur gut sein, wenn ein bisschen Schwung und Humor ins Hohe Haus kommen.

Je mehr Menschen sich nämlich für die Vorgänge dort interessieren, desto schwerer wird es speziell für den Basti. Und ich könnte mir auch gut vorstellen, dass wir sogar gemeinsam seine Aussagen wie “Rot-Blau hat bestimmt. Das Volk wird entscheiden!“ zerpflücken.

Liebe Grüße,
Cousine Daniela




9 Antworten auf „#Brieferl No.198 – Eine Frage der Politik oder 11.822 Tage“

  1. Hervorragend formulierte Analyse des momentanen Bilds der Politik allgemein und der FPÖ und des Kurz im speziellen. Wünsche dir, liebe Cousine , dass du gewählt wirst. Irene Windisch Gründungsmitglied aus Graz

  2. Mir ist gerade aufgefallen: Basti könnte zum Beginn der ÖVP-Regierung mit Fug und Recht sagen „Da war ich noch gar nicht auf der Welt“ – also hat er mit dem ja überhaupt nichts zu tun!

  3. Ich hoffe, Sie werden bei den Grünen aktiv werden können und freue mich auf Ihre Wortmeldungen die dann noch mehr Gehör finden werden als Ihre Brieferln.

    Eines noch: Bitte nehmen Sie die jungen Grünen unter Ihre Fittiche. Die haben effektive Rethorik und klare Sprache soo bitter notwendig. Es stimmt mich immer traurig, wenn die Argumente (fast) aller Oppositionsparteien (bis auf die NEOS) durch Bastis Kommunikationstalent und den professionellen Talk der Türkisen einfach weggewischt werden.

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