Lieber Cousin Herbert,
Nachrichten lesen ist immer schön und gut, aber selbst das Dokument lesen, auf dem die Nachrichten basieren, ist noch viel besser. Freundlicherweise hat mir Markus Sulzbacher via Twitter die “Zusammenfassung des Rohberichtes“ der FPÖ-Historikerkommission zur Verfügung gestellt.
Das ist wirklich zu gut, dieses Machwerk!
Ich meine, alleine die Überschrift “Zusammenfassung des Rohberichtes“. Da wurde großartig der Bericht schon unzählige Male angekündigt und dann gibt‘s gerade einmal einen “Rohbericht“ und den „zusammengefasst“. Na macht ja nix. Ist trotzdem lustig.
Ganze 32 Seiten hat diese Zusammenfassung, wobei ich finde, dass man Deckblatt und Inhaltsverzeichnis schon mal abziehen kann. Bleiben 30 Seiten. Anhang und Autorenverzeichnis machen 8 Seiten aus. Bleiben also heiße 22 Seiten mit sogenanntem Inhalt.
Schon der erste Satz ist irgendwie witzig:
“Anfang 2018 wurde auf Initiative des damaligen FPÖ-Bundesparteiobmanns und Vizekanzlers Heinz-Christian Strache eine Historikerkommission eingerichtet, um die angeblichen “braunen Flecken“ der FPÖ zu untersuchen.“
Die “angeblichen braunen Flecken“ finde ich gut. Vor allem deshalb, weil das schöne Wörtchen “angeblich“ gleich ganze 4 Mal in der “Vorbemerkung“ seinen Auftritt hat.
Das nenne ich eine gute, präzise und farbneutrale Ausgangslage. Wenn man sich mit “angeblichen“ Dingen auseinandersetzt, kann ja eigentlich nur herauskommen, was eben herauskam.
Auf Seite 5 (eigentlich Seite 3 von 22) gibt es gleich mal einen Seitenhieb auf die anderen Parteien.
“Das Bemühen von ÖVP und SPÖ um diese neuen Wähler (Anm: jene, die nach der Amnestie 1957 das Stimmrecht wieder erhielten) zwecks Stimmenmaximierung konnte jedoch die Entstehung von VdU (Anm: Verband der Unabhängigen) und FPÖ nicht verhindern.“
Ja genau! Was wäre ein Bericht über die FPÖ ohne ÖVP und SPÖ! Der Herr Silberstein fehlt noch, aber vielleicht steht ja der dann im gesamten Gesamtbericht.
Auf Seite 12 (eigentlich 10 von 22) ist im Kapital “Die personelle Ebene“ zu lesen:
“Der starke Mann im Hintergrund, Emil van Tongel, war zwar NSDAP-Mitglied gewesen, kann aber wohl am besten als Technokrat der Macht bezeichnet werden.“
Das finde ich sehr schön formuliert. Der Herr war zwar früher bei der NSDAP, aber eigentlich war er nur “machtgeil“, was wohl die beste Übersetzung für “Technokrat der Macht“ ist. Und deshalb ist das mit der NSDAP eh wurscht.
Die Erklärung, warum es aktuell keine (Ex-)Nazis mehr für die FPÖ im Parlament gibt, ist auch schön:
“Seit der Wahl von 1983 war im Nationalrat kein FPÖ-Mandatar mit ehemaliger NSDAP-Mitgliedschaft mehr vertreten – es ist seitdem auch aus rein biologischen Gründen nicht mehr möglich.“
Ich finde das gut, dass die Biologie nicht vergessen wird. Das gibt dem ganzen Machwerk mehr wissenschaftlichen Touch, findest du nicht auch?
Ab Seite 14 (eigentlich 12 von 22) sind wir schon in der Zusammenfassung:
“Die FPÖ ist formell eindeutig keine Nachfolgerin der NSDAP.“
Das mit dem “formell“ finde ich sehr gelungen. Das liegt vermutlich daran, dass der Bericht sich in “formeller, materieller und personeller Hinsicht“ mit den “angeblichen braunen Flecken“ auseinandersetzt, nicht wahr?
Ab Seite 15 (eigentlich 13 von 22) werden dann die durchgeführten Fallstudien kurz präsentiert. Besonders hat mir jene zum Thema “Liedgut der farbentragenden Studentenverbindungen“ gefallen, die auf Seite 19 (eigentlich 17 von 22) zu finden ist. Da habe ich nämlich Folgendes gelernt:
“Seit Ende des Ersten Weltkrieges hat es keine bedeutende Weiterentwicklung (Anm: bei Trink- und Kampfliedern) mehr gegeben, weshalb kein einziges dieser Lieder als ‘Nazilied‘ betrachtet werden kann.“
Das ist einmal eine Erklärung! Gilt das für alle Trink- und Kampflieder? Weil dann wäre z.B. das Horst-Wessel-Lied, das als Kampflied der SA und Parteihymne der NSDAP war, demzufolge auch kein „Nazilied“!
Geh bitte, sei so nett und melde das unverzüglichst nach Deutschland. Vielleicht kann das diesen armen Beamten retten, der zuerst wegen Ladendiebstahls verhört wurde und dann nochmals Schwierigkeiten bekam. Während des Verhörs hat nämlich sein Handy gebimmelt und ausgerechnet o.g. Horst-Wessel-Lied gespielt.
Christian Hafenecker und seine Mitarbeiter haben eine Sammlung von Stellungnahmen untersucht, in denen man sich immer wieder von Äußerungen anderer Funktionäre distanziert hatte. Auf Seite 20 (eigentlich 18 von 22) ist zu lesen:
“Aus dieser Dokumentation geht hervor, dass es sich dabei in der Regel tatsächlich um bedauerliche Einzelfälle handelt, die aber eher insignifikant sind. Diese Vorfälle werden zwar von Medien und Gegnern ‘aufgeblasen‘, aber sie können eben nicht auf die Haltung der gesamten FPÖ übertragen werden.“
Jo eh. Die bösen Medien und politischen Gegner wieder!
Das gesamte Bild soll natürlich auch noch abgerundet werden. Und wie rundet man besser ab, als mit einem Blick ins Ausland. Wie wird die FPÖ im Ausland wahrgenommen? Blöd halt, dass das Ausland ziemlich groß ist und man freilich nicht alle Länder außerhalb Österreichs berücksichtigen kann.
“Zur Abrundung des Bildes widmet sich ein Beitrag der Wahrnehmung der FPÖ im Ausland – und zwar in der ehemaligen Sowjetunion.“
Die Conclusio dieser ausländischen Wahrnehmung auf Seite 22 (eigentlich 20 von 22):
“In dieser Debatte bezogen sich die Vorbehalte schließlich auf konkrete pro-westliche Haltungen, die zwar eindeutig nicht im Interesse der UdSSR lagen, aber andererseits nicht im Geringsten etwas mit (Neo-)Nazismus oder Faschismus zu tun haben.“
Auf Seite 23 (eigentlich 21 von 22) gibt es schließlich ein Gesamtresümee, in dem steht:
“Die Geschichte des Dritten Lagers nach 1945 weist eindeutig Berührungspunkte mit dem Nationalsozialismus auf.“
Na immerhin …
“Aber weder VdU noch FPÖ waren formell Nachfolgeorganisationen der NSDAP. Und sie strebten auch nicht […] politisch die Wiedererrichtung eines nationalsozialistischen Regimes an.“
Da haben wir es wieder. “Formell“ wird also genau nix angestrebt, was mit Nazis zu tun hat. Auch das dezente “politisch“ finde ich persönlich sehr nett. Wurde das geschrieben, damit es nicht zu Verwechslungen mit Bestrebungen anderer Art kommt?
Zum krönenden Abschluss möchte ich dich noch auf eine klitzekleine Kleinigkeit aufmerksam machen, die mich, als besorgte Cousine, doch ein bisserl stutzig macht!
Auf Seite 5 (eigentlich Seite 3 von 22) steht geschrieben:
“ … dass führende FPÖ-Politiker durchaus glaubwürdige und in der Vergangenheit undenkbare Erklärungen etwa hinsichtlich des Verhältnisses zu Israel abgeben […], die dann aber gelegentlich von verbalen Entgleisungen (oder anderen Aktionen) untergeordneter Funktionäre konterkariert werden …“
Seite 9 (eigentlich 7 von 22):
“ … dass FPÖ-Mandatare wiederholt […] klare Bekenntnisse zur freiheitlich- demokratischen Grundordnung der Republik Österreich ablegten, in welchen sie […] das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit […] betonten.“
Hmmmmm …
Ein Rechtsstaat ist doch “ein Staat, in dem Regierung und Verwaltung nur im Rahmen der bestehenden Gesetze handeln dürfen.“
Nun hattest du doch im Jänner 2019 im Report fabuliert:
Hmmmmm …
Damit hattest du irgendwie das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit konterkariert, oder?
Hmmmmm …
Wenn die Autoren dieser “Zusammenfassung des Rohberichts“ diese deine Aussage als “verbale Entgleisung“ deuten, dann bist du wohl in deren Augen ein “untergeordneter Funktionär“.
Hmmmmm … Na ja, vielleicht haben sie es eh nicht so gemeint. Alles Gute jedenfalls weiterhin.
Liebe Grüße,
Cousine Daniela
Danke für diese vorzügliche Zusammenfassung, der Zusammenfassung des Rohberichts. 🙂 Eigentlich sollte ich mich schämen, weil ich mich beim lesen der Zeilen, fallweise „zerkugelt“ hab, obwohl die Thematik doch sehr ernst ist. Wie heißt es so schön? Freunde kann man sich aussuchen, die Verwandtschaft aber nicht!“ Eigenlich sollte die Kommision nach „blauen Flecken“ Ausschau halten und nicht nach „braunen“. Aber vlt. sind sie in der FPÖ so wie so farbenblind.
Ich freue mich auf das Brieferl, wenn der vollständige Bericht vorliegt.
Ich gönn dem Cousin den „untergeordneten Funktionär“ von Herzen. Danke für die logisch schlüssige Analyse. Sie macht Hoffnung auf einen 30. September ohne besagten untergeordneten Funktionär in übergeordneter Position. Die Hoffnung soll man schließlich nie aufgeben.
halleluja, der aufsatz hat ja wirklich nicht einmal das niveau einer vwa, wie anderenorts berichtet wurde…