#Brieferl No.307 – Die royale Welle – oder – Wie ein AfDler lernte, das Bolschewikenblattl zu lieben





Lieber Cousin Herbert,
du hast sicherlich auch mitbekommen, dass Prinz Harry und Herzogin Meghan dieses Interview gegeben haben, nicht wahr? Ich habe das nicht angeschaut. Was ich mir aber damals sehr wohl angeschaut habe, war das Interview mit der Lady Diana, das wohl auch eine völlig andere Situation beschrieb. Immerhin war Camilla, heutige Duchess of Cornwall involviert.

Egal, was man von der Monarchie und diesen persönlichen Einblicken hält, so hatte ich mir damals überlegt, ob das weltweite Publikum auch so auf Dianas Seite gestanden wäre, wenn die beiden rein äußerlich die Rollen getauscht hätten.

Die Camilla kann schließlich nichts dafür, dass sie von der Natur eher die Arschkarte ausgefasst hat, während Diana doch sehr begünstigt wurde. Ich trau mich wetten, dass man Charles ob der unansehnlichen Gattin, die sich auch noch öffentlich beschwert, sehr bedauert hätte. Und ihm selbstverständlich die Liebe zur hübschen Geliebten mehr als nur gegönnt hätte.

Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass die meisten so dermaßen zur Oberflächlichkeit tendieren, dass es immer mehr darauf ankommt, WER etwas sagt, als dass der Inhalt irgendwie von echtem Interesse wäre.

Das ist mir angesichts des aktuellen Twitter-Dramas wieder schmerzlich bewusst geworden. Und von dem möchte ich dir heute erzählen.

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Anti-Israel-Chöre von Linksradikalen

Begonnen hat all das Ungemach – wie könnte es auch anders sein – mit dem Kommentar eines (Herr Bergmann möge mir verzeihen) alten, weißen Mannes. Er hat in seiner Falter-Kolumne einen elementaren Fehler begangen, der sich im folgenden Satz manifestiert:

„Die von den Linksradikalen angestimmten Anti-Israel-Chöre
waren auch nicht ohne.“

DAS geht so sicher nicht! Ein alter, weißer Mann behauptet etwas, was nicht sein KANN, weil es nicht sein DARF!

Beherzt wirft Natascha Strobl, ihres Zeichens Expertin für Rechtsextremismus, ihr ganzes Gewicht in die Twitter-Waagschale und kontert. Linke und Antifaschisten würden so etwas nicht machen und außerdem schaden derartig unbelegbare Behauptungen dem Antifaschismus!

Und wenn Natascha etwas sagt, dann stimmt das. Ohne Wenn und Aber! Also zumindest für die Gefolgschaft.

Das Twittergericht

Der alte weiße Mann schreibt zwei Tage nach der o.g. Kolumne eine neue, in der er aus einem Traum erzählt. Dabei fallen folgende Sätze:

„Ich bin nämlich in die gnadenlose, und gnadenlos egozentrische, Twitter-Gerichtsbarkeit gefallen.“

„Auf wievielen Tonspuren sich das abgespielt hat, wollen jetzt die militanten Antifaschisten von einem pazifistischen Antifaschisten, nämlich mir, wissen. Und bevor sie das nicht verbal aus mir herausgeprügelt haben, werden ihre tiefroten Seelen nicht ruhen. Meine Antwort, dass sich im Ohr alles zusammenmischt, werden sie nicht akzeptieren.“

DAS wiederum kann und darf Natascha nicht auf sich sitzen lassen. Sie wird zwar mit keinem einzigen Wort namentlich erwähnt, dafür wähnt sie selbstverständlich sich persönlich angegriffen. Ja wer sollte es denn auch sonst sein?

Der Solidaritäts-Hashtag

Ohne auf die Details eingehen zu wollen … Eine Welle der Solidarität für Natascha ergießt sich über Twitter, nachdem sie (im Übrigen nicht zum ersten Mal) ihren Twitter-Account deaktiviert hat. Von nah und auch fern gibt es Sympathiebekundungen unter #teamstrobl.

Manch besonders Getreue hat sogar ihren Twitternamen entsprechend adaptiert!

Der Falter, also jene Zeitung, die dem alten, weißen Mann die Plattform gegeben hat, kommt in Verruf und wird zum Feind erklärt.

Das Skurrilste in der ganzen Show ist aber der Tweet eines Herrn von der AfD, der als prototypisches Beispiel für die gesamte Entwicklung des aktuellen Dramas herhalten kann: man hat zwar von den Details keinen Schimmer, aber ein bissl Mitschwimmen geht immer.

Und so kam es, dass ein AfDler den einst von Michael Jeannée als Bolschewikenblattl bezeichneten Falter in sein Herz geschlossen hat. Schon schön auch, irgendwie halt.

Und jetzt der Rollentausch

Und jetzt stellen wir uns einmal für einen kurzen Moment einen Rollentausch vor, wie zu Beginn mit Diana und Camilla.

Eine mitteljunge Frau mit jüdischen Wurzeln hat im Falter eloquent darüber berichtet, Antisemitismus von der Linken Seite gehört zu haben. Ein alter weißer Mann plappert auf Twitter los und stürzt sich auf sie, weil das sicherlich so nicht war!

Die Frau schildert daraufhin einen Albtraum in ihrer Kolumne, was der alte weiße Mann in seiner patriarchalischen Verblendung selbstverständlich auf sich bezieht. Um dem Drama den letzten Schliff zu geben, deaktiviert er wieder einmal seinen Twitter-Account.

Was wäre die Folge gewesen?

Man hätte dem alten weißen Mann wohl beleidigte Hypersensibilität vorgeworfen, denn immerhin kann man Twitter auch einfach ignorieren. Man muss nicht einen auf Drama-King machen und den Account deaktivieren.
Wenn er keine Nachrichten ungustiöser Art bekommen will, dann kann er die entsprechende Nachrichten-Funktion abschalten, was er aber wohl nicht weiß, was wiederum typisch für einen alten weißen Mann ist!

Die mitteljunge Frau hätte man wohl für den Mut gelobt, ein bisserl über den ideologischen Tellerrand zu schauen, denn immerhin wissen wir alle, dass es in jeder Gruppe schwarze Schafe gibt! Aus deren Fehlverhalten repräsentative Rückschlüsse auf eine ganze Bewegung zu ziehen, wäre dumm und einfältig und so sind wir nicht!

Wie auch immer es im Detail gewesen wäre, die mitteljunge Frau hätte gegen den alten, weißen Mann sicher gewonnen.

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Liebe Grüße,
Cousine Daniela



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