Lieber Cousin Herbert,
oftmals frage ich mich, wie es sein kann, dass du mit Sprücherln wie damals “Daham statt Islam“ oder aktuell “Rackete ist eine Ikone der Blödheit“ so erfolgreich bist.
Wobei du ja in “guter“ Gesellschaft bist, wenn ich an den orangen Präsidenten aus Übersee denke.
Der Clou an der ganzen Sache ist ja, dass sich die jeweiligen Anhänger nicht nur gut darüber amüsieren, sondern vor allem auch in Kauf nehmen, keinerlei reale Verbesserungen in ihrem Leben von euch erwarten zu können.
Die spannende Frage: warum ist das so? Warum läuft man lieber dem polarisierenden, populistischen Geschwätz hinterher, als sich für die eigenen Rechte einzusetzen? Oder begeistert sich zumindest für jemanden, der dies für einen tut?
Ich hatte das Pech oder auch Glück, je nachdem wie es man es eben sieht, bei Apple in Irland zu arbeiten. Der große, schimmernde Apfel hat in Cork sein European Headquarter. Darüber habe ich auch ein Buch geschrieben.
Ich möchte hier in aller Kürze zusammenfassen, wie das System dort läuft. Und es läuft ziemlich mies, das kann ich dir schon mal verraten. Weshalb ich auch darüber geschrieben habe. Weil nur gemeinsam jammern genau nix verändern wird.
Wenngleich ich weiß, dass es bei anderen Firmen bereits auch so läuft oder am Weg dorthin ist, nehme ich eben Apple, weil ich da aus erster Hand berichten kann.
Und weil der Apfel nicht weit vom Stamm (die Gesellschaft an sich) fällt, habe ich erstaunliche Parallelen entdeckt. Oder sind sie gar eh nicht so erstaunlich?
Das System des Apfels
1) Das Einlullen
Im Zuge des Bewerbungsprozesses (bei mir war es übrigens eine Blindbewerbung) wird einem der Himmel auf Erden zugesichert. Anhand deines Lebenslaufs wissen sie genau, was du kannst und erklären dir ganz genau, was du nicht alles werden kannst.
Natürlich musst du “ganz unten“ beginnen, egal was du kannst. Das macht nichts, denn schließlich ist jeder bereit, das ganze Geschäft von der Pike auf zu lernen, um so letztlich noch besser arbeiten zu können.
Bemühen muss man sich natürlich schon. Aber das ist ja klar.
2) Du kannst nicht gewinnen, bist aber dennoch schuld
Das System bei Apple ist ausgeklügelt. Da haben sie nämlich beinahe unendlich viele Kennzahlen, denen du gerecht werden sollst. Das Praktische aus Sicht des Konzerns dabei: es ist fast unmöglich, alle Zahlen zu erreichen.
Die “beste“ aller Zahlen ist die Klo-Zeit-Zahl. Jeder hat pro Tag 8 Minuten zur Verfügung, um die Toilette aufzusuchen. Blöd halt, wenn der Arbeitsplatz weit weg vom nächstgelegenen Häusl ist. Dann geht sich einmal pinkeln pro Tag gerade mal aus. Keine Sorge, du darfst eh auch während deiner Pausenzeit aufs Klo gehen. Insofern sind die 8 Minuten eh sehr üppig. „#Brieferl No.207 – Der Apfel und der Stamm“ weiterlesen